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Kapitel 4
Ladungstransport

Kontext: In diesem Lernmodul führen wir die spezifischen Gleichungen ein, welche Ladungstransport beschreiben. Ähnliche Gleichungen finden sich für Ladungstransport in Halbleitern und in Elektrolyten. Insbesondere sollten ähnliche Gleichungen bereits in der Vorlesung “Halbleiterphysik” aufgetaucht sein. Wir werden die Gleichungen hier im Kontext der Elektrochemie entwickeln. Ziel des Kapitels ist die Einführung der Poisson-Nernst-Planck Gleichung, die wir im Rest der Veranstaltung numerisch lösen werden.

4.1 Elektrostatik

Wir wiederholen hier die Grundlagen der Elektrostatik. Eine Punktladung \(q\) am Ort \(\v {r}_0\) erzeugt ein elektrostatisches Potential der Form \begin {equation} \Phi (\v {r}) = \frac {1}{4\pi \varepsilon } \frac {q}{|\v {r}-\v {r}_0|}, \label {eq:pointcharge} \end {equation} wobei \(\varepsilon =\varepsilon _0 \varepsilon _r\) die Permittivität ist. Im Vakuum ist \(\varepsilon _r=1\). Wir werden hier ausschließlich (wässrige) Elektrolyte behandeln, also Ionen die in Wasser gelöst sind. Für Wasser ist \(\varepsilon _r\approx 80\). Gleichung \eqref{eq:pointcharge} ist die spezifische Lösung der Poisson-Gleichung, \begin {equation} \nabla ^2 \Phi (\v {r}) = -\frac {\rho (\v {r})}{\varepsilon } \end {equation} für eine Punktladung \(\rho (\v {r})=q\delta (\v {r}-\v {r}_0)\).

Die Poisson-Gleichung hat die gleiche Form wie die (stationäre) Diffusionsgleichung aus Kapitel 3. Wir können auch diese wieder in zwei Gleichungen aufsplitten. Zunächst ist das elektrische Feld \(\v {E}\) gegeben durch \begin {equation} \v {E} = -\nabla \Phi , \end {equation} den (negativen) Gradienten des Potentials. (Im Sinne der Analogie zur Diffusionsgleichung ist das Feld eine Art Stromdichte.) Die “Kontinuitätsgleichung” für das Feld ist gegeben durch \begin {equation} \nabla \cdot \v {E} = \frac {\rho }{\varepsilon }. \end {equation} Zusammen ergeben diese Gleichungen die Poisson-Gleichung.

Wir werden die Poisson-Gleichung benötigen, um das elektrostatische Potential (und damit auch das elektrische Feld) innerhalb eines Elektrolyten zu berechnen. Innerhalb des Elektrolyten haben wir üblicherweise eine positiv und eine negativ geladenen Spezies, mit entsprechenden Konzentrationen \(c_+(\v {r})\) und \(c_-(\v {r})\). Die entsprechende Ladungsdichte ist dann proportional zur Differenz dieser Konzentrationen, \(\rho (\v {r})=|e|(c_+(\v {r})-c_-(\v {r}))\).

4.2 Drift im elektrischen Feld

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Die Ladungen in unserem Elektrolyten erzeugen nicht nur ein elektrischen Feld, sie reagieren auch auf dieses. Die Kraft \(\v {f}\), welche auf ein Teilchen mit Ladung \(q\) wirkt, ist gegeben durch \begin {equation} \v {f}_{\text {E}} = q \v {E}. \end {equation} Positiv geladene Teilchen bewegen sich in Richtung des elektrischen Feldes, negativ geladene Teilchen entgegen dieser Richtung.

Es wirkt also auf Grund des elektrischen Feldes eine Kraft auf unsere Ionen. Diese Kraft alleine würde zu einer Beschleunigung der Ionen führen, also einer kontinuierlichen Zunahme der Geschwindigkeit. Da sich das Ion in einem Medium (Lösungsmittel, z.B. Wasser) bewegt erfährt es einen Strömungswiderstand (siehe Abb. 4.1). Im Fall laminaren Flusses um ein sphärisches Teilchen mit Radius \(R\) wird dieser nur durch innere Reibung innerhalb des Fluids hervorgerufen. Die resultieren Kraft wirkt entgegen der Bewegungsrichtung und wird durch das Stokessche Gesetz, \begin {equation} \v {f}_{\text {Stokes}} = -6\pi \eta R \v {v} = -\v {v}/\Lambda , \end {equation} mit \(\Lambda =(6\pi \eta R)^{-1}\) beschrieben. Hier ist \(\eta \) die Viskosität der Flüssigkeit. Die Größe \(\Lambda \) nennt sich die Mobilität. Im Gleichgewicht \(\v {f}_{\text {E}} + \v {f}_{\text {Stokes}}=0\) ergibt sich die Driftgeschwindigkeit \begin {equation} \v {v} = q \Lambda \v {E}. \end {equation} Diese Driftgeschwindigkeit ergibt zusammen mit \(\v {j} = c \v {v}\) den durch das elektrische Feld hervorgerufenen Driftstrom, \begin {equation} \v {j} = q\Lambda c \v {E} = \sigma \v {E} \end {equation} mit \(\sigma = q\Lambda c\). Die Größe \(\sigma \) wird auch Leitfähigkeit genannt. Ein äquivalentes Gesetz gilt beispielsweise für die Elektronenleitung in Metallen.

PIC

Abbildung 4.1: Ein Teilchen (z.B. ein Ion), welches sich in einer Flüsiggkeit bewegt, erfährt einen Strömungswiderstand. Bei geringen Geschwindigkeiten wird dieser durch innere Reibung innerhalb des umströmenden Fluids hervorgerufen.

4.3 Nernst-Planck-Gleichung

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Ein Diffusionsstrom in Kombination mit Drift im elektrischen Feld ergibt die Nernst-Planck-Gleichung. Die Stromdichte für Ionenspezies \(\alpha \) ist gegeben durch \begin {equation} \v {j}_\alpha = - D_\alpha \nabla c_\alpha + q_\alpha \Lambda _\alpha c_\alpha \v {E}, \end {equation} wobei wir explizit durch den Index \(\alpha \) darauf hingewiesen haben, dass die Transportparameter (\(D\), \(\Lambda \)), die Ladung \(q\) und die Konzentration \(c\) von der ionischen Spezies abhängen. Mit Hilfe der Einstein-Smoluchowski-Beziehung, \(D = \Lambda k_B T\) kann die Mobilität \(\Lambda \) mit der Diffusionskonstante \(D\) ausgedrückt werden. Dies führt zu der üblichen Form der Nernst-Planck-Gleichung, \begin {equation} \v {j}_\alpha = - D_\alpha \left (\nabla c_\alpha + \frac {q_\alpha }{k_B T} c_\alpha \nabla \Phi \right ), \label {eq:NPcurrent} \end {equation} in der wir das elektrische Feld als \(\v {E}=-\nabla \Phi \) ausgedrückt haben.

4.4 Poisson-Nernst-Planck-Gleichungen

Wir kombinieren nun das Nernst-Plancksche Transportproblem mit der Lösung der Poisson-Gleichung um das elektrostatische Potential \(\Phi \) zu bestimmen. Hierzu müssen hier zwei Ionenspecies betrachten, eine positiv (Ladung \(q_+\)) und eine negativ (Ladung \(q_-\)) geladene. Damit müssen wir neben dem Potential \(\Phi \) zwei Konzentrationen \(c_+\) und \(c_-\) bestimmen.

Das gekoppelte Gleichungssystem, welches die Transportprozesse in unserer Elektrolytlösung beschreibt, sieht daher folgendermaßen aus: \begin {align} \frac {\partial }{\partial t} c_+ + \nabla \cdot \v {j}_+ = 0 & \quad \quad \text {(Erhaltung der positiven Spezies)} \label {eq:continuityplus} \\ \v {j}_+ = - D_+ \left (\nabla c_+ + \frac {q_+}{k_B T} c_+ \nabla \Phi \right ) & \quad \quad \text {(Transport der positiven Spezies)} \label {eq:currentplus} \\ \frac {\partial }{\partial t} c_- + \nabla \cdot \v {j}_- = 0 & \quad \quad \text {(Erhaltung der negative Spezies)} \label {eq:continuityminus} \\ \v {j}_- = - D_- \left (\nabla c_- + \frac {q_-}{k_B T} c_- \nabla \Phi \right ) & \quad \quad \text {(Transport der negative Spezies)} \label {eq:currentminus} \\ \nabla ^2 \Phi = -\frac {q_+ c_+ + q_- c_-}{\varepsilon } & \quad \quad \text {(Elektrostatisches Potential)} \label {eq:poissonfinal} \end {align}

Wir werden dieses gekoppelte Differentialgleichungssystem im Rahmen dieses Kurses mit Hilfe der Methode der finiten Elemente lösen. Man nennt diese Gleichungen die Poisson-Nernst-Planck Gleichungen.

Anmerkung: Ein Satz von Gleichungen identisch zu Gl. \eqref{eq:continuityplus} bis \eqref{eq:poissonfinal} beschreibt den Transport von Ladungsträgern in Halbleitern. Die positiven Ladungsträger sind dann Löcher und die negativen Elektronen. Das was hier als “chemisches Potential” bezeichnet wird, heißt dort teilweise das Quasiferminiveau. Diese Art des Ladungsträgertransports wurde bereits in der Vorlesung “Halbleiterphysik” besprochen.

Neben der transienten Lösung des Problems, also der Zeitpropagation der beiden Konzentrationen \(c_+\) und \(c_-\), ist auch die stationäre Lösung interessant. Für die stationäre Lösung verschwindet die Zeitabhängigkeit, also \(\partial c_{+/-}/\partial t = 0\), in diesen Gleichungen. Wir werden hier sowohl die transiente als auch die stationäre Lösung dieses und ähnlicher Gleichungssystems betrachten.

4.5 Poisson-Boltzmann-Gleichung

Die Nernst-Planck-Gleichung kann durch die Einführung eines chemischen Potentials vereinfacht werden. Das chemische Potential integriert den Effekt der Diffusion in ein effektives Potential \begin {equation} \mu _\alpha (\v {r}) = q_\alpha \Phi (\v {r}) + k_B T \ln c_\alpha (\v {r}). \label {eq:chempot} \end {equation} Der Term \(q_\alpha \Phi \) ist hier die potentielle Energie eines Ions mit Ladung \(q_\alpha \) in einem elektrischen Feld. Der Term \(k_B T \ln c_\alpha \) ist die freie Energie eines idealen Gases mit Dichte \(c_\alpha \). Wir können hier die Ionen als ideales Gas beschreiben, weil diese (in unserem Modell) nur über das elektrostatische Potential wechselwirken. Die Stromdichte wird dann proportional zum Gradienten des chemischen Potentials \(\mu \), \begin {equation} \v {j}_\alpha = -\frac {D_\alpha }{k_B T} c_\alpha \nabla \mu = -\Lambda _\alpha c_\alpha \nabla \mu . \label {eq:NPcompact} \end {equation} Durch Einsetzen von Gl. \eqref{eq:chempot} in Gl. \eqref{eq:NPcompact} erhält man Gl. \eqref{eq:NPcurrent}.

Gleichung \eqref{eq:NPcompact} sagt uns, dass kein Strom fließt, wenn das chemische Potential \(\mu \) räumlich konstant ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn \begin {equation} c_\alpha (\v {r}) = c_0 \exp \left (-\frac {q_\alpha \Phi (\v {r})}{k_B T}\right ) \end {equation} mit einer Konstanten \(c_0\). Diese Gleichung in Verbindung mit der Poisson-Gleichung zur Bestimmung von \(\Phi \) heißt auch die Poisson-Boltzmann-Gleichung.

4.6 Beispiel: Superkondensator

Im folgende Video diskutieren wir die Anwendung der Poisson-Nernst-Planck-Gleichung für die Modellierung von Ladungstransport in Superkondensatoren mit porösen Elektroden.

https://uni-freiburg.cloud.panopto.eu/Panopto/Pages/Embed.aspx?id=7053001f-75d5-4340-af5e-ac75012302cf

Literaturverzeichnis


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